Des Widerspenstigen Dämpfung

24.07.2013 05:38 (zuletzt bearbeitet: 24.07.2013 20:37)
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#1 Des Widerspenstigen Dämpfung
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Ich rauche gerne.

Ja das habe ich auch immer gesagt, es stimmte auch, gegenüber sämtlichen Belehrungen, Ratschlägen und nett gemeinten Hinweisen war ich immer äußerst resistent.
Ich bin jetzt 39 und habe über 26 Jahre lang geraucht, ja ich habe früh angefangen so war das in den 80ern, jetzt bin ich seit genau 4 Wochen Dampfer (26.06) und seit über 3 Wochen Nichtraucher(30.06).
Ich wollte auch nie aufhören mit dem rauchen, natürlich wusste ich schon lange von den Gefahren und möglichen Folgen. Komme dazu aus einer Familie mit einem Gendefekt der Darmkrebs begünstig, nicht die besten Voraussetzungen, war mir aber egal denn:

Ich rauche gerne, Punkt.

So habe ich in all den Jahren noch nicht mal einen Gedanken ans Aufhören verschwendet, nein ich habe 40 - 50 am Tag geraucht, gerne geraucht und viele davon mit Genuß. Auch Shisha oder was sonst Qualm macht war mir immer willkommen.
Ich habe nur einmal temporär aufgehört, das war aber keine freie Entscheidung.
Ich hatte vor 7 Jahren einen Verkehrsunfall, lag 10 Wochen im Krankenhaus und hatte mehrere Operationen, natürlich entgegen dem Rat aller Ärzte weitergeraucht.

Die letzte Operation bei diesem ersten, von noch einigen folgenden Aufenthalten in dem Krankenhaus, war etwas aufwändiger und es war schon vorher klar, dass ich 2 Wochen lang nicht aufstehen durfte, also auch keine Chance hatte zu rauchen.

Ich bekam eine Muskeltransplantation, danach durfte ich nicht aufstehen, weil der sonst ansteigende Blutdruck die Nähte an den Arterien hätte gefährden können, jeder kann sich vorstellen, dass eine durchtrennte Arterie im Körper nicht so unbedingt wünschenswert ist und keine Sache ist, die man nicht so eng sehen sollte.
Deswegen habe ich bei der Vorbesprechung auch nicht mit dem Arzt diskutiert, ob es nicht irgendwelche Möglichkeiten gäbe, dass ich doch rauchen könnte, wie es wohl viele in ähnlichen Situationen zu tun pflegen, sondern habe dem Unausweichlichen so gelassen, wie es geht, entgegen gesehen. Auch die Nikotinpflaster, die der Chirurg vorschlug, lehnte ich erstmal ab, wobei er auch selber zugeben musste, dass die nicht immer so gut wirken würden.

Gut, der Rauchstop damals wurde mir dann aber sehr leicht gemacht.
An dem OP-Tag habe ich zuerst für über 10 Stunden 2 OP-Teams in Beschlag genommen und wurde danach auf die Intermediate gebracht.
Da bin ich nach der OP wach geworden, erschöpft von 10 Stunden Tiefschlaf und an einem Dipidolor-Dauertropf, ein sehr entspannend wirkendes Opiat und mein Dauertropf schien auf halbes Delirium eingestellt zu sein.
Die Höhe der Medikation war aber wohl nicht gewählt worden, um mich den Nikotinentzug vergessen zu lassen, ich vermute, es lag eher daran, dass so ein Muskel und die zugehörigen Hauttransplantationen doch recht schmerzhaft sein können, wie ich bald rausfand. Ausschlafen durfte ich aber nicht, die ersten 24 Stunden nach der OP musste alle 60 min. die Durchblutung im Transplantat geprüft werden, bevor ich wieder an Morpheus Tropf, äh in seine Arme zurück durfte.

So hatte ich die ersten knapp 40 Stunden wenig Verlangen nach einer Zigarette, als ich dann auf die Normalstation zurück kam, hatte ich eine recht starke Reaktion auf das Antibiotikum, ich bekam ja schon 10 Wochen welches, aber die starke Einmalbehandlung nach der OP war dann der berüchtigte Tropfen.
Ich hatte die erste von den beiden Wochen extreme Darmprobleme, mehr will ich dazu nicht sagen, es hat mich aber gut vom Nikotinentzug abgelenkt.

Ja und nach 2 Wochen durfte ich wieder in den Rolli, Bein hochgebunden, damit nichts passiert und sofort ins Raucherzimmer. Darin hat´s elendig gestunken und die erste Zigarette war ekelhaft und mir wurde so lustig schwindelig, vor allem als ich die 2. angemacht habe war, ich froh zu sitzen, aber egal, bis zum Abend war schon wieder mehr als eine Schachtel weg.
Ich habe nicht einmal darüber nachgedacht, ob ich es jetzt dauerhaft sein lassen sollte.

Nein, ich rauche gerne.

Man kann sich wohl jetzt leicht vorstellen, wenn mich das nicht zum Aufhören brachte, ich hatte die schlimmsten Entzugsphasen ja schon hinter mir, kann mich eigentlich nichts zum Aufhören bewegen. Tja, wie auch, man muss es ja wollen und selbst dann ist es verdammt schwer, habe ich mir sagen lassen.

Nun gut, ich kann seit dem Unfall nicht mehr arbeiten und bin in der Bewegung eingeschränkt, das mit dem Rauchen war daher meiner restlichen Fitness nicht gerade zuträglich, das Pfeifen und Rasseln wurde in letzter Zeit immer schlimmer und von der Kurzatmigkeit wollen wir gar nicht reden.
Der Raucherhusten hat sich in den letzten 3 Jahren auch plötzlich bemerkbar gemacht, so mir nichts, dir nichts konnte ich vor dem ersten Kaffee keine mehr rauchen, ohne auf einmal einen roten Kopf zu bekommen, kam nämlich vor lauter Husten kaum dazu mal zu atmen.

Ach egal, ich rauche einfach gerne, Punkt.

Die E-Zigarette hatte mich schon länger interessiert, nicht wegen des Aufhörens, sondern wegen der Abwechslung, war ja was, das man rauchen kann und ich noch nicht versucht hatte.
Ich hatte immer mal geschaut, aber dann war mir das als Testobjekt einfach zu teuer, bis ich jetzt wieder mal schaute und feststellte dass die Preise doch gefallen waren. Also habe ich mal aus Neugier ein eGo-Set bestellt. Ich habe das mittags bekommen, Akku geladen, geschaut wie man den Tank befüllt und dann später losgelegt mit dem Dampfen.

Man war der Dampf lecker, hat mir sofort sehr gut gefallen.

So saß ich dann vor dem Rechner und hab im Netz gesurft und ein wenig gezockt, ab und an mal das Liquid nachgefüllt bis auf einmal der Akku leer war. Da ist mir aufgefallen, dass ich seit Stunden keine geraucht hatte und nur wegen des leeren Akkus wieder eine anstecken musste.

Das lief am folgenden Tag ähnlich, ich hatte mir nur die Zwangspausen wegen Akkuladens direkt so eingeplant, dass sie auf die Situationen fielen,an denen ich noch eine Richtige brauchte.
Morgens zum Kaffee und nach dem Mittag- und Abendessen, da brauchte ich meinen Nikotinflash so schnell und stark wie ihn halt nur die richtige Zigarette bieten kann. Habe aber direkt an dem Tag schon Ersatzakkus und andere Verdampfer bestellt, damit ich nur dann eine Dampfpause einlegen müsste, wenn ich gerade eine richtige Zigarette wollte und nicht weil gerade mein Akku leer ist.

Nach 3 Tagen schmeckten auch die Richtigen gar nicht mehr so toll, ich kam auch langsam damit klar, dass bei den E-Zigaretten das Nikotin nicht so unvermittelt anflutet, wie bei den richtigen, sondern dass es langsamer anflutet und es halt mal ein paar Sekunden dauert, bis der Körper sein Nikotin hat. Außerdem habe ich am 3. Tag den Aschenbecher von meinem Schreibtisch auf ein Regal dahinter verbannt, der stank da so vor sich hin und das unter meiner Nase, das ging irgendwie gar nicht mehr.

Nach 5 Tagen fingen die Richtigen dann an richtig ekelhaft zu werden, ja als ich dann abends auf der Couch lag und eine geraucht hatte, fand ich sogar meinen Atem einfach widerlich, das war dann auch meine Letzte.

Tja ich rauche gerne, besser ich habe so gerne geraucht.

Leider habe ich mir diese E-Zigarette gekauft und die hat mir in nicht mal einer Woche alles so richtig schön vermiest.

Jetzt sitz ich da, mit meinen zu den jeweiligen Stellplätzen passend ausgesuchten Aschenbechern.
Ich bereue es aber trotz allem nicht, denn das Dampfen ist für mich noch viel besser als das Rauchen.

Ich bekomme mein Nikotin, mal mehr mal weniger, genau soviel wie ich gerade möchte und das in viel besseren Geschmacksrichtungen. Ach ja, ich liege nach nur 3 Wochen abends im Bett und nichts mehr pfeift oder rasselt beim Atmen, meine ständigen Probleme mit den Nasenschleimhäuten, entweder trocken oder verschnupft, sind jetzt vorbei.
Morgendlicher Husten?, ja wenn ich mich am Kaffee verschlucke, ansonsten nicht mehr.

Leider schmeckt und riecht auch alles wieder besser, nein das stimmt so nicht, ich schmecke und rieche wieder besser.

Ich musste ganz schnell die Überzüge von meinen Sofakissen waschen, gut, mache ich auch so mal zwischendurch aber diesmal nicht, weil sie schon wieder schmutzig waren, sondern einfach, weil sie so nach Rauch gestunken haben. Brachte leider nicht den vollen Erfolg, die Kissen selber riechen natürlich auch und wurden ausgetauscht.

Kurzum ich fühle mich sehr, sehr gut mit dem Dampfen, ich hätte es viel früher anfangen sollen.

Was mir an Rauchkultur fehlt, wird damit ausgeglichen, dass ich jetzt angefangen habe mit Selbstwicklern und dem Selbstmischen, hab ja auch früher selber gedreht und gestopft, da konnte man den Zug der Zigarette auch selber bestimmen.

Finanziell ist es kein großer Vorteil für mich, also war auch kein Grund für das Dampfen.
Ich wohne grenznah und bin alle paar Wochen nach Luxemburg, einmal volltanken und dabei Tabak und Kaffee kaufen. Da war das Rauchen gar nicht so teuer, nur noch für den Sprit fahren, lohnt kaum noch und Kaffee muss ich schon für 3 Monate dazu kaufen, damit die Fahrt noch Sinn macht.

Aber was soll ich machen.
ICH DAMPFE GERNE.

Ach ja, von wegen Rückfallgefahr.
Nachdem ich eine Woche nur gedampft hatte, saß ich bei einer guten Freundin im Garten.
Die Sonne lachte, der Kaffee stand frisch vor uns und sie packte ihren Tabakbeutel aus, der Geruch von dem frischen Tabak war schon gut und ich verspürte auf einmal schon ein leichtes Verlangen nach einer Richtigen, als sie ihre gedreht, aber als sie sie dann anzündete, war das Verlangen auch schnell wieder weg.

Dann war ich nach 2 Wochen Nichtrauchens in der Klink zu meinen Quartals-Nachuntersuchungen, zwischen beiden Terminen hatte ich gut 90 Minuten Freizeit, die ich natürlich in dem Raucherhof verbracht habe.
Der Qualm dort war jetzt nicht genau das, was ich mir gewünscht hätte, aber ich fand ihn auch nicht so schlimm, wie andere Ex-Raucher, er hat in mir aber auch absolut kein Verlangen nach einer Zigarette ausgelöst, warum auch.

Ich dampfe gerne.
Ich brauche nur noch was Zeit, um mir den Pawlowschen Raucherreflex abzugewöhnen, er wird aber schon weniger.
Die ersten Tage war es schlimm, ich will einkaufen fahren und denke, während ich die Dampfe in der Hand halte: "So, ich rauche schnell Eine, dann ziehe ich mir die Schuhe an und fahre", dabei habe ich nicht mal ein Verlangen nach einer Zigarette, aber wie sagt man im Englischen:

"Old habbits die hard."

So gibt es viele Situationen, wo man noch schnell eine rauchen will und dann...

Das lässt aber wie gesagt, schon nach, weil:
Ich dampfe gerne.


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